Schneller und besser
Vakuum-Konditionierung in der Bäckerei
„Ich kann mir das Arbeiten ohne Vakuum-Konditionierung gar nicht mehr vorstellen“, sagt Helge Skudlarek. Er verantwortet Öfen und Kühlung der Barnstedter Bäckerei Kruse. Seit 2019 hat das Team eine Anlage in Betrieb. Neben Einsparungen bei Arbeitszeit und Energiekosten, liefert das noch relativ junge Verfahren Produkte mit höherem Volumen und besserer Frischhaltung. Da kann sich die relativ hohe Investition lohnen.
Vor 20 Jahren schon, da war Helge Skudlarek noch frisch in der Bäckerei Kruse, tauchte das Thema Vakuum- Kühlung auf seinem Radar auf. Die Technologie war damals zwar schon etwa 20 Jahre alt, aber – auch aufgrund mangelnder Prozess-Sicherheit – noch wenig bekannt und verbreitet, wirkte auf den Bäcker aber interessant. Zunehmend war das Thema in Erfa-Kreisen präsent, in denen sich Betriebs-Verantwortliche austauschen. 2019 war dann ein Umbruch-Jahr. Senior-Chef Reinhard Kruse verabschiedete sich aus der Geschäftsführung und übergab an die nächste Generation. Gemeinsam beschloss man noch die Anschaffung einer Vakuum-Konditionierung.
Der Schritt war notwendigerweise wohlüberlegt. Denn mit deutlich mehr als 100.000 Euro ist der Preis für eine Anlage nicht nebenher zu stemmen. Und die Unternehmer-Familie Kruse schlug gleich doppelt zu. Im Rahmen der Investition lohnt sich das Hinzuziehen eines Energieberaters. Die Anschaffung wirkt sich schließlich positiv auf den Energieverbrauch aus und ist damit förderfähig. 60.000 Euro Investitions-Zuschuss konnten die Kruses verbuchen.
Ersparnis
Genau dieser Spar-Faktor ist es auch, der das Kruse-Team überzeugte und der Vakuum-Technologie wirtschaftlichen Charme verleiht. Im Ofen gebacken wird vor allem Kleingebäck nur noch, bis es die gewünschte Farbe
und Kerntemperatur erreicht hat, also kürzer und heißer. Im Durchschnitt haben sich die Backzeiten so um 33 Prozent verringert. Sind Farbe und Kerntemperatur im Zielbereich angekommen, geht es für das Gebäck ins Vakuum. Zu diesem Zeitpunkt sind Brötchen & Co. im Inneren noch teigig, die Verkleisterung der Stärke ist nicht abgeschlossen.
Die Vakuum-Technologie macht sich im Anschluss den Zusammenhang von Druck und Siedepunkt des Wassers zunutze. Mit sinkendem Druck sinkt auch die Siedetemperatur von Flüssigkeiten. Der Normaldruck liegt bei 1013,25 Hektopascal (hPa), also knapp über 1 bar. Unter dieser Bedingung siedet Wasser bei 100°C. Steigt der Druck um 1 bar, verschiebt sich der Siedepunkt auf 120°C. Erst dann beginnt Wasser also zu kochen. Diesen Umstand nutzt man beim Schnellkochtopf. Umgekehrt sinkt der Siedepunkt von Wasser auf 80°C bei einem Druck von 474 hPa (0,474 bar).
Unter fallendem Druck in der Vakuum-Anlage, sorgt die Ofenwärme des Gebäcks dafür, dass freies Wasser siedet und der Prozess der Verkleisterung abgeschlossen wird. Zugleich kühlen die Backwaren rapide schnell ab. Denn das Verflüchtigen der siedenden Flüssigkeit entzieht den Produkten Wärme. Nach zwei bis fünf Minuten liegt ihre Temperatur zwischen 30 und 50°C. Insgesamt verkürzt sich die Herstellungszeit also und der Stromverbrauch sinkt. Auf etwa 500 Euro beziffert Helge Skudlarek die wöchentliche Energiekosten-Ersparnis. Die verkürzte Backzeit sorgt zudem dafür, dass die Öfen stärker ausgelastet werden können, weil sich in derselben Zeit mehr produzieren lässt.
Schönere Gebäcke
Aber Effizienz und Wirtschaftlichkeit sind nur eine Seite der Vakuum-Medaille. Auf der anderen steht die Gebäck-Qualität. Und auch die hat mit dem Einsatz der neuen Technologie spürbar zugenommen. Zuallererst fällt das höhere Volumen ins Auge. Ob Brötchen, Weißbrot oder Croissants – Gebäcke haben eine höhere Stabilität durch das schnelle Abkühlen und entsprechend eine deutlich gesteigerte Volumen-Ausbeute. „Wir mussten“, erinnert sich Helge Skudlarek, „unsere Stikkenwagen austauschen. 20 Bleche waren zu eng, wir haben auf 18 Bleche umgestellt, damit die Croissants nicht eingeklemmt werden.“
Bei den Brötchen ist darüber hinaus die Rösche ein großes Plus. Statt der üblichen zwei bis drei Stunden, bleibt die Kruste nach der Vakuum-Konditionierung für bis zu acht Stunden knackig. Die Kundschaft genießt so auch Stunden nach dem Backen noch frisches Kleingebäck.
Während in der Bäckerei Kruse alle Brötchen den Vakuum-Konditionierungsprozess durchlaufen, findet er bei Broten kaum Anwendung. Ausnahme ist ein Weißbrot, dessen Backzeit sich von 30 auf 20 Minuten verkürzt hat. Nach der Vakuum-Behandlung überzeugt es mit einer wattigen Krume und längerer Frischhaltung. Bei klassischen Broten sieht Skudlarek hingegen keinen Bedarf.
Auf die Zutaten kommt es an
Und auch nicht jede Zutat ist fürs Vakuum geeignet. So fiel Leinsaat beim Team Kruse durch. Der Geschmack des Gebäcks hatte nach dem Gang durchs Vakuum metallische Anklänge. Ähnliche Erfahrungen gab es mit Mohnkuchen. Und auch die Kaltcreme im Streuselkuchen konnte nach der Vakuum-Konditionierung geschmacklich nicht überzeugen. Mandelschleifen hingegen wurden luftiger und boten ein leichteres Genusserlebnis.
Bei der Zutatenherstellung hilft das Vakuum-Verfahren ebenfalls. So wird der Pudding bei Kruse selbst gekocht. Im Anschluss gehen zwei 40-Liter-Kessel ins Vakuum, wo sie binnen vier Minuten von 95 auf 50°C heruntergekühlt werden, bevor sie in den Schockfroster kommen. Anders, so Helge Skudlarek, wäre die Produktion kaum zu schaffen. Der Zeitgewinn hilft enorm. Wenn auch nicht an jeder Stelle. Wo Pudding gekühlt werden kann, mag man annehmen, klappe es auch mit Mehlkochstücken. Nicht nach der Erfahrung in Barnstedt: „Da haben wir eher einen Trocknungsprozess mit Rissbildung erlebt.“
Neue Möglichkeiten
Die Technologie regt aber auch dazu an, über neue Prozesse und Produkte nachzudenken. So wird bei Kruse kaum noch schockgefrostet. Was tiefgekühlt werden soll, bekommt im Ofen die volle Backzeit, geht dann ins Vakuum und von dort in den Froster. Das spart keine Energie, steigert die Qualität aber signifikant. Beim Auftauen entsteht kein Schwitzwasser, da sich das freie Wasser bereits bei der Vakuum-Konditionierung verflüchtigt hat.
Die Produkte überzeugen mit einer Frische-Wahrnehmung, die wirkt, als kämen sie direkt aus der Backstube.
Ein neues Produkt in der Barnstedter Bäckerei sind die halbgebackenen Brötchen. Sie gehen einerseits als Aufbackbrötchen in den direkten Verkauf, werden andererseits im eigenen Snackbereich eingesetzt. Nach sieben Minuten bei 270°C haben die Teiglinge eine Kerntemperatur von 95°C. So gehen sie ins Vakuum, „stehen wie eine Eins“ und können auch ohne Kühlung nach zwei bis drei Tagen noch zu hervorragenden Brötchen fertig gebacken werden. Für die Kundinnen und Kunden eine Sortimentsergänzung, die besonders an Schließungstagen geschätzt wird. Im Snackbereich schaffen die Teiglinge Flexibilität, weil nach Bedarf produziert werden kann.
Nicht mehr ohne
„Ich kann mir das Arbeiten ohne Vakuum- Kühlung gar nicht mehr vorstellen“, sagt Helge Skudlarek. Seit ihrer Anschaffung sei die Anlage nur an einem Tag ausgefallen. Dem Senior des Unternehmens blieb das nicht verborgen. Er kommt inzwischen nur noch als Kunde. Die Krume der Brötchen verriet ihm sofort, dass in der Produktion irgendetwas nicht nach Plan gelaufen sein konnte.
Sieben Stikkenöfen betreibt die Bäckerei Kruse. Mit den Produkten daraus ist die Doppelanlage für die Vakuum-Konditionierung durchweg ausgelastet. Mit klaren Ersparnissen in Energie sowie Arbeitszeit, einer höheren Ofenbelegung und qualitativ besseren Produkten hat im Unternehmen niemand die Investition bereut.
Fotos:
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Auszug aus Ausgabe 01/2023
Dieser und weitere interessante Artikel erschienen in Ausgabe 01/2023 von BROTpro. Die komplette Ausgabe kann im Alles-rund-ums-Hobby-Shop bestellt, direkt im Browser gelesen oder über die App von BROT im Google Play Store beziehungsweise Apple App Store bezogen werden.