Aufgabenmanagement für Führungskräfte
Erst priorisieren, dann delegieren
Wenn Termine drücken, Personal fehlt und die To-do-Liste überquillt, wird es Zeit, einmal gründlich aufzuräumen. Welche Tätigkeiten sollten Führungskräfte übernehmen? Was hat für sie Priorität? Welche Aufgaben können wegfallen oder besser delegiert werden? Das Zeitmanagement-Modell von Steven R. Covey hilft dabei, Ordnung ins Chaos zu bringen und die eigenen Ressourcen effizienter zu nutzen.
Führungskräfte haben im Unternehmen zahlreiche Aufgaben zu erfüllen. Nicht alle wichtigen Tätigkeiten können und sollten sie allein erledigen. Stattdessen müssen sie in der Lage sein, Aufgaben an ihre Untergebenen abzugeben. Doch nicht immer fällt es leicht zu entscheiden, welche man selbst übernimmt und welche man besser delegieren sollte. Vor allem unter Zeitdruck wird das Aufgabenmanagement zur Herausforderung.
Statt Tätigkeiten ihren Teammitgliedern zu übertragen, erledigen Verantwortliche dann vieles selbst, was problemlos auch andere übernehmen könnten. Oft werden dabei dringend erscheinende To-dos vorgezogen, selbst dann, wenn es eigentlich Wichtigeres zu tun gibt.
So springt der Bereichsleiter wiederholt im Verkauf ein, statt sich um strategische Aufgaben zu kümmern oder die Personalentwicklung voranzutreiben. Die Backstubenleiterin schleift dutzende Brötchen, obgleich die Personalplanung für den nächsten Monat ansteht. Und die Inhaberin kümmert sich um Dokumentationen, obwohl sie dringend eine Pause braucht, um über notwendige Investitionen nachzudenken.
Langfristig führt ein solches System zur Überlastung aller Beteiligten und zur Vernachlässigung wichtiger Führungsaufgaben. Gerade vor dem Hintergrund personeller Engpässe ist es umso wesentlicher, möglichst effizient zu arbeiten und alle vorhandenen Ressourcen sinnvoll auszuschöpfen. Mit der entsprechenden Vorplanung gelingt es leichter, Aufgaben zu priorisieren und die richtigen Tätigkeiten zu delegieren.
Die Effektivitätsmatrix
In seinem Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ stellt der amerikanische Unternehmensberater und ehemalige Harvard-Professor Steven R. Covey ein Zeitmanagement-Modell vor, das sich Führungskräfte für eine sinnvolle Aufgabeneinteilung zunutze machen können. Dabei stellt der Autor in einer Matrix mit den beiden Achsen Wichtigkeit und Dringlichkeit verschiedene Tätigkeiten einander gegenüber (siehe Tabelle unten).
In diese Matrix lassen sich sämtliche Aufgaben eintragen, die der berufliche Alltag mit sich bringt. Sie sind jeweils einer der folgenden Kategorien zuzuordnen:
Feld I – wichtig und dringend (Notwendigkeit, Notfall)
Feld II – wichtig und nicht dringend (Qualität, Effektivität)
Feld III – nicht wichtig und dringend (Täuschung, Ablenkung)
Feld IV – nicht wichtig und nicht dringend (Verschwendung, Müll)
Dabei versteht man unter wichtigen Aufgaben alle Tätigkeiten, bei denen es um das langfristige Fortbestehen sowie die Weiterentwicklung des Unternehmens geht. Dazu zählen die Produktion, das Qualitätsmanagement, die Unternehmensstrategie, die Kundenzufriedenheit, die Personalentwicklung, gesetzliche Vorgaben und so weiter.
Als dringend sind Aufgaben zu bezeichnen, bei denen der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielt. So unterliegen viele Verwaltungstätigkeiten gesetzlichen Fristen, Verkaufsaktionen sind nicht selten an konkrete saisonale Ereignisse gebunden und die Theke sollte zur Ladenöffnung bereits gut gefüllt sein.
Die Herausforderung bei der Arbeit mit der Corvey-Matrix besteht nun darin, alle anliegenden Aufgaben zunächst dem richtigen Feld zuzuordnen. Nicht alles, was auf den ersten Blick wichtig zu sein scheint, ist es schließlich auch. Hier lohnt sich die genaue Analyse der einzelnen Bereiche.
Aufgaben richtig zuordnen
Damit das Unternehmen von ihrer Arbeit am meisten profitiert, sollten sich Führungskräfte primär mit den Tätigkeiten beschäftigen, die Covey Qualitätsaufgaben nennt, also mit denen aus Feld II. Hier geht es um Themen, die langfristig von Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens sind, aber keiner spezifischen Deadline unterliegen. Dazu zählen zum Beispiel die Entwicklung von Visionen, Zielen, Strategien und Beziehungen sowie der Bereich der Weiterbildung.
Widmet sich eine Führungskraft diesen Themen nicht, so werden sie früher oder später ins Feld I wandern und zur dringenden Notwendigkeit. Als Beispiel dienen hier in vielen Bäckereien die Themen Einarbeitung neuer Mitarbeitender und Ausbildung von Führungskräften. Wer sich darum nicht rechtzeitig und nachhaltig kümmert, läuft über kurz oder lang in vorhersehbare Personalprobleme hinein.
Um wichtige und dringende Aufgaben (Feld I) gilt es sich sofort zu kümmern. Dazu zählen Krisen, Last-Minute-Deadlines, Notfallmeetings oder auch unvorhergesehene Ereignisse. Nicht selten können diese Aufgaben von Fachkräften mit entsprechenden Qualifikationen übernommen werden, sofern die Führungskräfte in Feld II zuvor einen vernünftigen Job gemacht haben.
Dringende, dabei aber nicht wichtige Tätigkeiten (Feld III) lassen sich meist sehr gut delegieren. Sie haben geringe Priorität und sind denen aus Feld I und II grundsätzlich unterzuordnen. Hierunter fallen zum Beispiel weniger bedeutende Meetings oder Berichte sowie Anliegen anderer Menschen, die diesen wichtig sind, jedoch aus Perspektive der Führungskraft nicht ins Gewicht fallen.
Unwichtiges, das nicht dringend ist (Feld IV), lässt man bestenfalls ganz weg. Nicht umsonst nennt Covey dieses Feld Müll und Verschwendung. Hierbei handelt es sich um Themen, die oft plötzlich im Fokus stehen, wenn man sich vor anderen, wichtigeren Tätigkeiten drücken will. Selten ist die eigene Wohnung so aufgeräumt, wie wenn die Steuererklärung ansteht. Andere Beispiele sind Lästereien am Arbeitsplatz oder die ziellose Nutzung von sozialen Medien, während die wichtige Arbeit liegen bleibt.
Die Matrix im Alltag nutzen
Um sich mit der Matrix als Instrument der Selbstorganisation vertraut zu machen, ist es sinnvoll, zunächst die vergangenen zwei Wochen Revue passieren zu lassen. Welche Aufgaben wurden in dieser Zeit erledigt? Welche Bereiche nahmen am meisten Zeit in Anspruch? Die einzelnen Tätigkeiten sollte man jeweils einem der vier Quadranten zuordnen.
Aus den Notizen ergibt sich ein erstes Bild darüber, wo bislang die Prioritäten lagen und am meisten Handlungsbedarf besteht. Wer sich vornehmlich in Feld II (Qualität) aufhält, hat vieles richtig gemacht. Oft jedoch nimmt das Feld I (Notwendigkeit) noch zu viel Raum ein. Erfahrungsgemäß ertappen sich auch viele Führungskräfte dabei, zu viel Zeit in Feld III (Täuschung) verbracht zu haben.
In diesen Fällen sollten gezielt Maßnahmen ergriffen werden, um mehr Zeit für Qualitätsaufgaben einzuräumen. Später sollte man sich in regelmäßigen Abständen Termine setzen, um die Matrix erneut anzuwenden, gesetzte Ziele zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.
Blockaden erkennen und ausräumen
Doch warum fällt es häufig so schwer, Tätigkeiten ans Team abzugeben? Und was veranlasst Führungskräfte, unwichtige Aufgaben selbst zu erledigen, statt sie zu delegieren? In der Regel stecken hinter diesem Verhalten die folgenden Denkfallen, die die Effektivität langfristig stark einschränken.
1. Übertriebener Perfektionismus
Manche Führungskräfte gehen an Aufgaben mit einem hohen Anspruch heran und übertragen diesen Perfektionismus dann auch auf ihre Mitarbeitenden. In ihren Augen muss alles genauso erledigt werden, wie es sich der oder die Verantwortliche vorstellt. Statt sich mit 80 oder 90 Prozent zufriedenzugeben, müssen es mindestens 100, wenn nicht sogar 150 Prozent sein.
Dieser Anspruch führt sicherlich in einigen Fällen zu brillanten Ergebnissen, hat allerdings zumeist negative Auswirkungen:
• Angestellte bekommen das Gefühl, ihre Aufgaben nie gut genug erledigen zu können. Sie erhalten kein Lob, obwohl sie sich angestrengt haben. Das Erfolgserlebnis bleibt aus.
• Die Motivation der Mitarbeitenden sinkt, sich künftig weiterhin Mühe zu geben. Warum auch, da sie es sowieso nicht richtig machen können?
• Die Ausführung der Aufgabe dauert zu lang, weil sie perfekt erledigt sein muss. Andere To-dos bleiben liegen, man ist ständig unter Zeitdruck.
• Am Ende erledigt es die Führungskraft oft doch lieber direkt, statt sich anderen wesentlichen Aufgaben zu widmen.
Um die negativen Auswirkungen abzuwenden, sollte man den eigenen Anspruch gewissenhaft prüfen. Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn ein Fehler geschieht? Mit welchen Auswirkungen muss man realistischerweise rechnen, wenn eine Person einen anderen Lösungsweg bevorzugt? Auch hilft es, sich die negativen Auswirkungen des eigenen Verhaltens ehrlich vor Augen zu führen. In der Regel treten die befürchteten Folgen nicht ein oder wirken sich geringer aus als gedacht.
2. Kurzfristige Zeitersparnis
Gemäß dem Motto „Es geht ohnehin schneller, wenn ich es mache“, wird manches von vornherein selbst erledigt. Oft kommt hinzu, dass Verantwortliche ihre Mitarbeitenden erst qualifizieren müssten, um Aufgaben erfolgreich an sie delegieren zu können. Das ist zeitintensiv und anstrengend.
Dass es langfristig eine Erleichterung bringt, spielt dann im Tagesgeschäft meist erstmal eine untergeordnete Rolle. Infolgedessen aber werden die Angestellten passiver. Sie lernen schnell, dass sich die Führungskraft am Ende selbst kümmern wird. Erklärtes Ziel sollte es stattdessen sein, das Personal möglichst frühzeitig mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten und weiterzuentwickeln.
3. Angst vor Bedeutungsverlust
Manche Führungskräfte haben unterbewusst Angst, an Bedeutung zu verlieren. Dem wollen sie entgegenwirken. Eine Person, die viel kann und viel selbst macht, fühlt sich unersetzbar und wichtig. Wer möchte schließlich nicht einen festen Platz im Unternehmen haben, von anderen gemocht und geschätzt werden, weil man so viel tut und so viel weiß?
Was solche Führungskräfte unterschätzen, ist die Bedeutung, die es ihnen verleiht, wenn sie andere wertschätzen und Anerkennung für deren Leistungen zeigen. Wer sein Team fördert und die Kompetenzen der Mitarbeitenden optimal nutzt, wird in der Führungsposition ein hervorragendes Renommee genießen. Mehr Bedeutung geht kaum.
4. Mangelndes Zutrauen
Immer wieder trauen Führungskräfte ihren Mitarbeitenden zu wenig zu. Dann hört man Äußerungen wie „Die können es einfach nicht“ oder „Sie sind zu dumm dazu“. Möglicherweise haben die Betreffenden tatsächlich schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht, was zu solch einer zynischen Einstellung führen kann.
Vielleicht haben sie es auch schon einige Male mit dem Delegieren versucht und es hat nicht auf Anhieb geklappt. Statt dann die Frustration die Oberhand gewinnen zu lassen, sind Geduld und Durchhaltevermögen gefragt. In der Regel wird das Vertrauen in die Mitarbeitenden langfristig zu besseren Ergebnissen führen.
5. Ständige Rückdelegation
Die eine oder der andere wird schon erlebt haben, dass eine Aufgabe delegiert wird und wie ein Bumerang zurückkommt. Die Ursache dafür kann unter anderem am eigenen perfektionistischen Anspruch liegen. Die Mitarbeitenden haben dann das Gefühl, es ohnehin nicht richtig machen zu können und geben die Aufgabe direkt wieder ab. Aber auch andere Gründe können dazu führen, dass Tätigkeiten rückdelegiert werden, zum Beispiel allgemeine Unsicherheit in einem neuen Arbeitsbereich oder schlicht Bequemlichkeit.
In diesen Fällen gibt es eine relativ einfache Abhilfe. Am besten stellt man der betreffenden Person zwei Fragen und formuliert an sie dann eine konkrete Anforderung:
Frage 1: Worin genau besteht das Problem?
Frage 2: Was ist Ihres Erachtens die Ursache des Problems?
Anforderung: Bitte machen Sie mir (drei) Lösungsvorschläge.
Mitarbeitende werden auf diese Weise dazu angeregt, nicht nur in Problemen, sondern zugleich in Lösungen zu denken. Oft klärt sich bereits im Gespräch, wie die Aufgabe nun doch bewältigt werden kann und was es gegebenenfalls als Hilfestellung braucht. Bereits nach einigen Wochen ändert sich meist das Verhalten der Mitarbeitenden. Sie arbeiten selbständiger und mit mehr Selbstvertrauen.
Fazit
Das Zeitmanagement-Modell von Steven R. Covey macht im Arbeitsalltag schnell sichtbar, wo Führungskräfte ihr Aufgabenmanagement noch entscheidend verbessern können. Damit das Instrument zum Erfolg führt, ist es jedoch nicht nur wichtig, Aufgaben abzugeben, sondern auch Denkfallen abzustellen, die die Delegation häufig verhindern.
Langfristig gewinnen Verantwortliche dadurch Zeit, sich um wichtige Führungsaufgaben kümmern zu können. Zudem ist Delegation ein entscheidender Faktor für die Mitarbeiterzufriedenheit. Angestellte werden befähigt, immer anspruchsvollere Aufgaben zu erledigen, können sich entwickeln, haben Erfolgserlebnisse und sind insgesamt motivierter. Auf diese Weise profitiert letztlich das gesamte Unternehmen von einem effizienten Zeitmanagement der Führungskraft.
Fotos:
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