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CO2-Fußabdruck in Bäckereien messen

CO2-Fußabdruck in Bäckereien messen

Was kommt da auf die Branche zu?

Bereits im kommenden Jahr wird es für große Bäckereien ernst: Sie müssen zum Jahresabschluss auch einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht einreichen. Dokumentationspflichten sowie Auflagen zur Energiereduktion betreffen bereits jetzt auch kleinere Betriebe. Ausschlaggebend dafür sind verschiedene Gesetze, die eine ressourcenschonende Wirtschaft fördern sollen. Ein Überblick.

Die Vorhaben sind wichtig und richtig: Möglichst nachhaltig zu wirtschaften und Energie effizient zu nutzen, dient dem Wohle aller und soll die Folgen der Klimakrise eindämmen. Verschiedene Gesetze, die darauf abzielen, sind jüngst in Kraft getreten und setzen an unterschiedlichen Stellen an. Sie sind getrennt zu betrachten und greifen gleichzeitig auch ineinander. Keine leichte Aufgabe für Unternehmerinnen und Unternehmer, die Zusammenhänge zu erfassen und zum richtigen Zeitpunkt die passenden Maßnahmen einzuleiten. Was gilt bereits jetzt und was kommt weiterhin auf die Betriebe zu?

Verschiedene Bausteine
Bereits seit Anfang 2023 müssen sich Unternehmen mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auseinandersetzen. Es soll bewirken, menschenrechtliche und/oder umweltbezogene Risiken zu minimieren sowie die Verletzung der Menschenrechte oder Umweltpflichten zu beenden. Seit November 2023 gilt außerdem das Energie-effizienzgesetz (EnEfG). Es verfolgt den Zweck, die Nachhaltigkeit von betrieblichen Abläufen deutlich zu steigern, also Energie bewusst zu nutzen und dort einzusparen, wo es sinnvoll sowie möglich ist.

Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), ist ebenfalls seit 2023 in Kraft. Mit ihr wird das Ziel verfolgt, die unternehmerische Berichterstattung zur Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene zu verbessern und zu vereinheitlichen. Früher oder später werden alle diese Gesetze jede Bäckerei betreffen, ist Dirk-Siegfried Hübner, Unternehmensberater für Energie und Nachhaltigkeit, überzeugt.

Doch zu was genau sind die Unternehmen derzeit schon verpflichtet? Welche Betriebsgrößen betrifft welche Vorgabe? Wann sollte und muss man tätig werden? Und wie hängen die unterschiedlichen Gesetze inhaltlich zusammen?

Die verschiedenen Gesetze zur Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft greifen wie Zahnräder ineinander

Saubere Lieferketten

Laut LkSG sind aktuell Unternehmen mit mehr als 1.000 Angestellten verpflichtet, die Verletzung von Menschenrechten sowie von Umweltrisiken entlang von Lieferketten zu minimieren und im besten Fall ganz auszuschließen. Gerechnet wird dabei nach dem Pro-Kopf-Prinzip für alle Vollzeit- sowie Teilzeitkräfte. Die betroffenen Unternehmen müssen konkrete Präventionsmaßnahmen umsetzen und ein Risikomanagement einrichten, um ihren Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette nachzukommen.

Handwerksbäcker/innen mögen jetzt vielleicht erstmal durchatmen – die Zahl von 1.000 Mitarbeitenden erreichen sie in der Regel nicht –, und doch sieht Dirk-Siegfried Hübner sie langfristig mindestens indirekt vom LkSG betroffen. „Ich gehe davon aus, dass die Betriebe zur Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten eingebunden werden und Informationen liefern müssen“, sagt er.

Schließlich sind viele dieser Bäckereien durch eine Zusammenarbeit mit betroffenen Firmen eng verbunden, mit größeren Hotelunternehmen zum Beispiel. Eine ressourcenschonende Produktion macht jeden Betrieb für solche Kooperationen attraktiver. Anders ausgedrückt: Wer selbst nicht betroffen ist und wenig nachhaltig wirtschaftet, könnte Wettbewerbsnachteile erleiden, sobald potenzielle Auftraggeber genauer hinschauen.

Energieeffizienzmaßnahmen

Darum, den Energieverbrauch in Betrieben zu senken und ein Energiemanagementsystem einzurichten, geht es im EnEfG. Derzeit betreffen die gesetzlichen Vorgaben Bäckereien ab einem Gesamtenergieverbrauch ab 2,5 Gigawattstunden pro Jahr. Demnach sind kleinere Betriebe davon noch ausgenommen. „Die größeren Bäckereien mit entsprechendem Energieverbrauch müssen bereits Maßnahmen umsetzen“, sagt Hübner. Dazu zählen verpflichtende Energieaudits sowie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung möglicher Maßnahmen.

Unternehmen mit einem Gesamtenergieverbrauch pro Jahr ab 7,5 Gigawattstunden sind außerdem verpflichtet, bis zum 18. Juli 2025 ein Energiemanagementsystem (EMS) einzuführen sowie sich extern zertifizieren zu lassen. Alternativ zum EMS können sie ein Umweltmanagementsystem (gemäß EMAS-Verordnung) implementieren.

Drei Jahre haben die Unternehmen Zeit, alle sinnvollen Energie-Einzelsparmaßnahmen in ihrem Betrieb zu benennen und einen konkreten Maßnahmenplan für deren Umsetzung vorzulegen. Dabei reicht es nicht, nur intern entsprechende Pläne zu machen und ungeprüft vorzulegen. Stattdessen müssen die Umsetzungspläne Vorgaben eines Energieaudits genügen oder aus dem implementierten Energiemanagementsystem hervorgehen. Zudem ist es notwendig, sie vor der Veröffentlichung durch Zertifizierer/innen, Umweltgutachter/innen oder Energieauditor(inn)en bestätigen zu lassen, informiert Hübner.

Grundlage für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit bildet die VALERI-DIN-Norm. Sie weist aus, ob sich eine Energieeffizienzmaßnahme tatsächlich rechnet. Neben Rückflüssen durch Umsatzerlöse oder Tilgungen werden dabei auch Abschreibungen sowie Verzinsungen berücksichtigt. Noch steht allerdings nicht fest, wo und in welcher Form der Maßnahmenplan letztlich veröffentlicht werden soll. Auf die Umsetzung vorbereiten sollte man sich allerdings bereits jetzt so gründlich wie möglich, so der Rat des Energieberaters.

Das Energieeffizienzgesetz trat im November 2023 in Kraft

Abwärmepotenziale erfassen
Gemäß § 16 EnEfG ist außerdem entstehende Abwärme im Betrieb „nach dem Stand der Technik zu vermeiden und die anfallende Abwärme auf den Anteil der technisch unvermeidbaren Abwärme zu reduzieren, soweit dies möglich und zumutbar ist“. Wesentliche Abwärmequellen sind unter anderem Kältesysteme, Kompressoren, Öfen sowie Lüftungen. „Im Rahmen der Zumutbarkeit sind technische, wirtschaftliche und betriebliche Belange zu berücksichtigen“, heißt es im Gesetzestext.

In § 7 EnEfG ist geregelt, dass man als Unternehmen Fernwärmeversorgern auf Anfrage bestimmte Auskünfte über Abwärmepotenziale erteilen muss. Dazu zählen beispielsweise die jährlich anfallende Wärmemenge, die maximale thermische Leistung sowie das durchschnittliche Temperaturniveau. Doch auch ohne eine konkrete Anfrage müssen diese Daten erfasst werden. So sind erstmals bis 1. Januar 2025 und ab 2025 jährlich bis zum 31. März über eine Plattform für Abwärme beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Informationen an die Bundesstelle für Energieeffizienz zu übermitteln.

Wer unsicher ist, welche dieser Maßgaben für den eigenen Betrieb aktuell bindend sind, sollte sich zeitnah bei Fachleuten Rat holen und einen entsprechenden Maßnahmenplan erstellen.

Nachhaltigkeitsbericht
Die Maßnahmen, die im Rahmen des EnEfG definiert werden, bilden die Basis für den Nachhaltigkeitsbericht, der seit Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bereits jetzt für bestimmte große, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden verpflichtend ist. Teilzeitstellen werden hierbei in Vollzeitstellen umgerechnet, es gilt kein Pro-Kopf-Prinzip.

Bislang handelte es sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung lediglich um eine freiwillige Leistung der Betriebe. Im Jahr 2026 müssen dann weitere Unternehmen ihren Bericht auf Basis der Daten aus 2025 vorlegen. Dabei handelt es sich um Firmen, auf die mindestens zwei dieser Kriterien zutreffen:

• eine Bilanzsumme von mindestens 25 Millionen Euro
• ein Nettoumsatz von mindestens 50 Millionen Euro
• durchschnittlich mindestens 250 Beschäftigte

In den folgenden Jahren kommen dann weitere Unternehmen hinzu. Hübner geht davon aus, dass sich langfristig alle Betriebe im Backhandwerk, ganz gleich welcher Größe, mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen müssen. Es lohnt demnach in jedem Fall, die Energieverbräuche im eigenen Unternehmen bereits jetzt potenziell messbar zu machen. Dafür bilden Daten die Grundlage.

Energieintensive Prozesse sind zum Beispiel das Backen oder die Kühlung

Der CO2-Fußabdruck
Immer wieder ist in diesem Zusammenhang auch vom CO2-Fußabdruck die Rede. Damit ist der Gesamtbetrag aller Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) gemeint, die zur Herstellung eines Produktes direkt und indirekt entstehen. „Wichtig ist, einzelne Faktoren auch jeweils einzeln berechnen zu können“, erklärt Hübner. Nur so sei es später im Detail möglich, konkrete Einsparungsmaßnahmen zu erarbeiten. Welche Energiemenge fällt bei welchen Prozessen an? Wie hoch ist der Energieverbrauch einzelner Geräte für welche Vorgänge?

Beispiel Brötchen: „Letztlich bringen die Zutaten schon einen CO2-Rucksack bei der Anlieferung mit“, so Hübner. Es folgen die einzelnen Prozessschritte der Teigbereitung, eventuell der Einsatz einer Brötchenanlage, Kühlung und/oder Gärautomat, das Backen, der Transport sowie sämtliche Prozessschritte im Laden bis zum Verkauf. Wer all diese Verbräuche sauber erfasst, kann sie schließlich in Kilowattstunden hochrechnen und dann auf das einzelne Brötchen herunterbrechen.

Neben organisatorischen und technischen Herausforderungen gibt es dabei aktuell allerdings noch eine weitere: Ein EU-weit bindendes Verfahren zur Berechnung des CO2-Äquivalentes einzelner Energieverbräuche gibt es derzeit noch nicht. In der Regel kann man sich jedoch entweder an den Angaben des jeweiligen Energieversorgers orientieren – hierzu findet sich meist ein CO2-Äquivalent auf der Abrechnung – oder sich auf allgemeinverbindliche Angaben berufen, zum Beispiel die des Umweltbundesamtes.

Datenbasis schaffen
Die Berechnung eines CO2-Fußabdrucks ist also durchaus mit Aufwand verbunden. Datenströme müssen erfasst und korrekt berechnet werden. Neben der notwendigen Infrastruktur braucht es dafür das entsprechende Know-how. Hübner rät auch den Unternehmen, die bislang (noch) nicht berichtspflichtig sind, sich bereits jetzt darauf vorzubereiten, um rechtzeitig über die notwendige Datenbasis zu verfügen.

„Ich empfehle, eine Person im Betrieb zu benennen, die sich projektverantwortlich um den Bereich Energieeffizienz kümmert und sich gründlich in die Materie einarbeitet“, sagt der Experte. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, sich externe Expertise ins Haus zu holen, um stets auf dem aktuellen Wissensstand zu Vorgaben und Berichtspflichten zu sein. Gemeinsam können dann außerdem mögliche Sparmaßnahmen erörtert und geprüft werden.

Klar ist: Der CO2-Fußabdruck mit der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung kommt. Wann genau welche kleinen und mittleren Betriebe betroffen sein werden, steht derzeit noch nicht fest. Besser, man ist dann darauf vorbereitet.


Ziele für eine nachhaltige Entwicklung
Nicht allein der Energie- und Ressourcenverbrauch spielt für den Nachhaltigkeitsbericht eine Rolle. Bereits 2015 definierten Angeordnete auf einer Vollversammlung der Vereinten Nationen 17 Kernelemente in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Diese lauten:

1. keine Armut
2. kein Hunger
3. Gesundheit und Wohlergehen
4. hochwertige Bildung
5. Geschlechtergleichstellung
6. sauberes Wasser und Sanitärversorgung
7. bezahlbare und saubere Energie
8. menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
9. Industrie, Innovation und Infrastruktur
10. weniger Ungleichheiten
11. nachhaltige Städte und Gemeinden
12. verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster
13. Maßnahmen zum Klimaschutz
14. Leben unter Wasser
15. Leben an Land
16. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
17. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Betriebe sollten die einzelnen Punkte Schritt für Schritt durchgehen und sich notieren, in welchen Bereichen sie sich bereits mit konkreten Maßnahmen engagieren und wo sie es tun könnten.


Fotos:
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JuanCarlos
NicoElNino
Studio Romantic

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Edda Klepp

Edda ist Chefredakteurin bei BROTpro und BROT. Seit 2016 bewegt sie sich in der backenden Branche und ist auch privat eine begeisterte Brotbäckerin. Wenn sie nicht gerade schreibt oder Teige knetet, ist sie häufig unterwegs zu Reportagen und Konferenzen oder lässt die Seele baumeln bei einem guten Buch und einer Tasse Tee.