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Die lange Nacht der bunten Socken

Die lange Nacht der bunten Socken

Zacharias-Preisverleihung in der Hamburger Elbphilharmonie

An diesem Abend lohnte sich der Blick nach unten. Es bahnt sich eine neue Sockenmode den Weg in die Backwelt. Speerspitze ist selbstverständlich Daniel Schneider als Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks.

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Mit aufreizend hanseatischer Optik bildete er das eine Ende der Skala, am anderen rangierte Manfred Laukamp, Marketingdirektor des gastgebenden Backmittel-Konzerns CSM, mit nackten Fußgelenken. Es mag sich hier und da herumgesprochen haben, dass bunte Socken ihre Trägerinnen und Träger intelligenter wirken lassen und Flanking voll im Trend liegt.  

Falscher Fokus

Zugegebenermaßen mag der Fokus angesichts der Fußmode etwas verrutscht sein. Er gehört eigentlich auf die Preisträgerinnen und Preisträger des Zacharias 2021 gerichtet. Der Preis wird seit nunmehr 32 Jahren vergeben, galt einst als Stollen-Oskar, richtet das Augenmerk seit einigen Jahren jedoch auf herausragende Marktingkonzepte im backenden Gewerbe. 

Aus einer ungenannten Zahl an Bewerbungen wählte die Jury vier bemerkenswerte Konzepte. In eben dieser Jury durfte neben den CSM-Mannen Frank Breuer, Manfred Laukamp, Ralf Klas und Jörg Thieltges sowie Tobias Mock von mock&more advertising und Detlev Nolte von nolte PR mit CSM-Chef-Kommunikatorin Heidi Kahlstorf sogar eine Frau mitwirken. Bei den Laudatoren blieben die Männer dann immerhin unter sich. Mario Töpfer, Chefredakteur von back.intern, sowie die CSM-Führungskräfte Ralf Klas, Jörg Thieltges und Thomas Tanck überreichten die 8 Kilogramm schweren handgefertigten Statuen. Mit denen wurden drei Betriebe sowie ein Verband gewürdigt, die zeigen, wie gutes Bäckerei-Marketing aussehen kann. Sie zeigten zudem, dass die Backwelt deutlich weiblicher und vielfältiger ist, als Jury und Laudatoren es vermuten lassen.

Eine besondere K-Frage

In den Wahlkampf zogen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bäckerei Konditorei Kolls aus Bönningstedt, an diesem Abend vertreten durch die geschäftsführenden Geschwister Susanne Behnke-Schoos und Rainer Kolls. Im Rahmen der Wahlkampagne „AKK vs. JFK – Wir klären die K-Frage“ war die Kundschaft zur Abstimmung darüber aufgerufen, welches neue Kartoffelbrötchen „Kollstoffel“ ins Sortiment aufgenommen werden soll. AKK, die aromatisch-kräftige Kollstoffel mit Röstzwiebeln, oder JFK, die junge-feine Kollstoffel ohne Zwiebeln. Assoziationen zur einst als Merkel-Nachfolge gehandelte Annegret Kamp-Karrenbauer und zu US-Präsident John F. Kennedy waren nicht zufällig. 

Für die PR- und Marketingkampagne wurden viele Elemente einer politischen Wahl übernommen. Neben den Wahlkampf-Slogans „Ich bin multikulti! Die Zwiebel gehört zur Kollstoffel!“ und „Ik bin ein Kollstoffel“ gab es regelmäßige Hochrechnungen. Verkäuferinnen und Verkäufer der Familienbäckerei – aufgeteilt in zwei Wahlkampfteams – waren von Anfang an parteiisch. Sie mussten sich vor Beginn der Aktion für AKK oder JFK entscheiden und versuchen, die Kundschaft entsprechend zu überzeugen. Dabei zeigten sie vollen Einsatz: Kein Gast verließ eine Kolls-Filiale ohne einen Wahlzettel und ein Probiertütchen mit Scheiben von beiden Produkten. 

Große Plakate, Kundenstopper und Flaggen machten schon auf der Straße auf die Wahl aufmerksam. Die Mitarbeitenden trugen Buttons, die Tabletts hatten ansprechende Aufleger und die Theken-Aufsteller wurden in den 21 Fachgeschäften verteilt. Posts auf Facebook und Instagram forderten ebenfalls zum Wählen auf. Das Ergebnis war bemerkenswert: Es wurden mehr als 1.000 gültige, ausgefüllte Stimmzettel eingereicht. Damit lag die Wahlbeteiligung im Sinne der Rücklaufquote bei 15 Prozent. Und das ganz ohne Kundenvorteil oder Gewinnspiel. Im fünfwöchigen Aktionszeitraum wurden mehr als 12.300 Kollstoffeln verkauft. Aus der Aktion ging zudem ein klarer Sieger hervor: AKK schaffte es mit überwältigender Mehrheit der Stimmen ins Kolls-Sortiment.

Es lebe Ludger

Bäcker- und Konditormeister Ludger Lüning war eine geschätzte Persönlichkeit in seiner Heimatstadt Bingen und gilt mit der Erfindung des Bäckerrants als Pionier der Bäckereigastronomie in Deutschland. Um nach seinem Tod Ende 2020 seine Werte wie Tradition, Qualität sowie die Liebe zum Produkt weiterzugeben und das Andenken an ihn zu bewahren, wurde im Backhaus Lüning „Ludger’s Label“ kreiert. 

Geschäftsführerinnen Sabine Harter und Martina Schadt ließen eine Wort-Bild-Marke entwickeln, die das Gesicht und die Hand von Ludger Lüning mit dem jeweiligen Produkt zeigt. Dieses aufmerksamkeitsstarke Markenlogo wird in unterschiedlichen Warengruppen eingesetzt. Hierzu zählen Kaffee und Bio-Erfrischungsgetränke – und natürlich auch Backwaren. 

So hat das Backhaus das Brot „Ludgers“ auf den Markt gebracht – ein kernig-kräftiges Malz-Dreikorn-Brot, das mit einer Ähre und dem Schriftzug „Ludger’s“ bemehlt ist. Weizenbrötchen mit dem Namen „Ludger’s Dibbelcher“ ergänzen das Sortiment des Labels. Das Rezept sowie die Herstellungsweise beider Produkte wurden von Ludger Lüning mitentwickelt. 

Neben der Darstellung der Wort-Bild-Marke auf den zum Label gehörenden Produktgruppen weisen Plakate, Flyer, Serviettenspender und Thekenaufsteller auf „Ludger’s Label“ hin. Ebenso werden die Fahrzeuge nach und nach mit dem Label foliert. Damit spielen die Verantwortlichen mit den Fußstapfen des einstigen Chefs, und zeigen, wie längst aus denen herauswachsen. Mit Ludger an den Füßen. Der Blick muss nämlich doch noch einmal nach unten wandern – zu den stylischen Nike-Tretern des Teams, die mit „Ludger’s Label“ optisch veredelt wurden.

Für Wasser und Klima

Mit zahlreichen regionalen Partnerschaften haben Michaela und Björn Reis der Bäckerei Reiß Beck Kirchzarten die Kampagne „Wa-Kli’s Brot – unser Spezialbrot für mehr Wasser- und Klimaschutz“ ins Leben gerufen. Ziel der Aktion war es, die regenerative Landwirtschaft zu fördern und dadurch den Wasser- und Klimaschutz vor der eigenen Haustür voranzutreiben. 

Zu kaufen gibt es das Ruchbrot mit Leinsaat und Maisextrudat exklusiv in den 16 Reiß-Beck-Filialen. Das Team hat nicht nur das Rezept für das Wa-Kli’s Brot entwickelt, sondern dieses auch in Form einer umfangreichen Marketingkampagne beworben. Hierzu gehörte die ausführliche Schulung des Verkaufs, um den Gästen die Idee hinter dem Produkt näher bringen. Darüber hinaus wurde das Wa-Kli’s Brot in einer offiziellen Pressekonferenz medienwirksam vorgestellt. 

Die eigens eingerichtete Webseite www.waklis-brot.de informiert ausführlich über das Projekt und die Teilnehmenden. Außerdem wurde ein Film zum Wa-Kli’s Brot produziert. In den Fachgeschäften weisen Plakate, Aufsteller, Preisschilder, Kassendisplays und Deckenaufhänger auf das Produkt hin. Ein Filialwettbewerb, Erklär- und Verkostungsstände vor den Fachgeschäften sowie Flyer mit Probiergutscheinen vervollständigen die öffentlichkeitswirksame Vermarktung des Gebäcks. So geht Verkaufsförderung Hand in Hand mit wichtigen Maßnahmen für nachhaltigeres Wirtschaften.

Jede Menge Aufmerksamkeit

Im Gegensatz zu den Vorjahren gab es 2021 keine Auszeichnung für ein Lebenswerk. Dafür wurde der Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk für die Kampagne „Das Brot der Bayern“ gewürdigt. Dessen Chef – und frisch gewähltes Präsidiumsmitglied des Zentralverbandes – Heinrich Traublinger machte gleich deutlich, dass es vor allem Pressereferentin Marianne Wagner sowie Susanne Knopp und Claudia Hambeck vom Bayerischen Rundfunk waren, die die Kampagne zum Erfolg führten.

An der waren mehr als 1.200 Verkaufsstellen beteiligt. Zwar nicht 1.200 Innungsbetriebe, wie es in der offiziellen Mitteilung heißt, dennoch eine beeindruckende Zahl. Sie verteilten etwa 840.000 Brottüten und Rezeptbroschüren, nutzten rund 4.000 Plakate, 4.000 Thekenaufsteller und Deckenhänger. Mehr als 100 Medienberichte zählte das Team, in denen es immer wieder um das Brot und dessen besondere Stellung in Bayern ging. So viel Aufmerksamkeit war selten. 

Langer Ausklang

Nach der Preisverleihung zeigten sich die CSM-Verantwortlichen großzügig und luden zu einem hervorragenden Abendessen ein. An das schloss sich der ausgelassene Teil der Nacht an. Als die Hamburger Sperrstunde für 3G-Veranstaltungen die Lichter im Saal angehen ließ, verlagerte der feierfreudige Kern der Anwesenden die Party in eine 2G-Bar, die das CSM-Team in Voraussicht bereits am Vorabend getestet, für gut befunden und vorgewarnt hatte.

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Sebastian Marquardt

Sebastian ist Verleger von BROT und BROTpro. Aus Notwehr fing er mit dem Selberbacken an. Aus anfänglicher Begeisterung wurde tiefes Interesse an der Materie. Wenn er die Hände nicht im Teig hat, liegen sie meist auf einer Tastatur. Zwischendurch reist Sebastian durch die Welt und besucht Backstuben auf allen Kontinenten.