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Erste Hilfe für Führungskräfte

Erste Hilfe für Führungskräfte

Stress und Überforderung begegnen

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und setzt Führungskräfte zunehmend unter Druck. Dabei können sie entscheidend zur Lösung dieser Herausforderung beitragen. Geeignetes Personal zu binden und zu führen sowie hemmende Handlungs- und Denkmuster zu durchbrechen, all das zählt zu den wesentlichen Aufgaben von Verantwortlichen. Eine verbesserte Kommunikation kann helfen, die Teams im Fachgeschäft wieder erfolgreich aufzustellen.

Eine typische Bäckerei in Westfalen. Die Chefin selbst leitet den Verkauf, 32 Standorte werden von drei Bezirksleiterinnen gemanagt und das Büro unterstützt sie dabei. Einmal in der Woche findet eine Teambesprechung in der Zentrale statt, bei der alle zusammenkommen. Die aktuellen Themen werden besprochen, dabei diskutiert man eifrig und tauscht sich aus. Alle sitzen in einem Boot, ein echtes Team eben. Bereits eine Stunde später sieht die Welt wieder anders aus.

Lena, die jüngste Bezirksleiterin, ist in ihrem Auto unterwegs zu einem ihrer Standorte. Das gute Gefühl der vorausgegangenen Teamsitzung ist verflogen – sie ist wieder auf sich allein gestellt. Das ist nicht immer einfach. Aktuell gilt es eine Reihe schwieriger Aufgaben zu bewältigen. Allen voran beschäftigt Lena das allgegenwärtige Thema Personalmanagement.

Und das aus unterschiedlichen Gründen. Besonders bereitet ihr Sorge, ihre Fachgeschäfte überhaupt ausreichend besetzen zu können. Jeder personelle Ausfall wiegt schwer und ständig muss jemand einspringen – immer häufiger sie selbst. Das Organisieren von Ersatzpersonal verlangt Lena Disziplin, Taktgefühl und Demut ab. Sie muss schnell reagieren können, dabei aber auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen, um das Problem nicht noch zu verschärfen.

Hohe Kundenzufriedenheit, guter Service und ein gesundes Betriebsklima stehen im direkten Zusammenhang mit Führungsqualitäten

Neue Abhängigkeiten
Beinahe ebenso schwer wie diese allgegenwärtige Herausforderung wiegt der Umstand, dass durch Personalengpässe eine neue Abhängigkeit entstanden ist. Immer wieder wird Lenas Führungsrolle im Arbeitsalltag infrage gestellt. Mehr als einmal musste sie erfahren, wie ein Teammitglied versuchte, aus den Engpässen einen persönlichen Vorteil zu ziehen.

Eigene Interessen, beispielsweise mehr freie Tage oder bevorzugte Schichten, werden kompromisslos eingefordert. Als Druckmittel dienen Krankenschein, Unflexibilität oder gar die Kündigung. Lenas Bezirksleiter-Kolleg(inn)en geht es nicht anders. Ihnen hilft immerhin ihre jahrelange Routine, aber manchmal wissen selbst sie nicht weiter. Lena erscheint die Herausforderung zu groß: Wie soll sie ihre eigenen Themen durchsetzen, ohne Personal zu verlieren?

Demotivation verhindern
Lenas Überforderung ist kein Einzelfall. Die Personalknappheit spitzt sich zu und bereitet Verantwortlichen auf allen Ebenen Kopfzerbrechen. Statt sich um Wesentliches zu kümmern, sind sie häufig damit beschäftigt, kurzfristige Feuer zu löschen. Sie manövrieren sich irgendwie durch das Geschehen.

Oftmals wird die fehlende Führung im Verkauf dann durch hohes Engagement kompensiert. Das stopft kurzfristig personelle Löcher, ist aber langfristig ineffektiv und somit teuer bezahlt. Die Geschäftsführung sollte hier wachsam sein und gegebenenfalls eingreifen. Auf Dauer erzeugt eine solche Konstellation sonst Frust und Demotivation auf allen Seiten.

Um sich nicht wie Lena in dem Beispiel erpressbar zu machen, braucht es eine klare Linie, die auch von der Unternehmensführung mitgetragen wird. Ohne die richtige Strategie fahren Führungskräfte eines Betriebs einen Schlingerkurs, der sich an ihren eigenen Möglichkeiten ausrichtet. Das kann gut gehen, führt aber auch zu Verunsicherung und hindert unter Umständen an der Weiterentwicklung.

Klare Rückendeckung
Fühlen sie sich überfordert, umgehen Verantwortliche schwierige Themen und lassen Mitarbeitenden schlimmstenfalls zu viel durchgehen. Andere erhalten den Eindruck, ungerecht behandelt zu werden, weil sie sich an die Regeln halten. Tatsächlich ist die Vermeidung von Konflikten oft ein Ausdruck der Hilflosigkeit der Führungskraft. Ihr fehlen die Mittel, die Situation konstruktiv zu lösen.

Um für den besseren Umgang mit der angespannten Personalsituation im gesamten Unternehmen gerüstet zu sein, braucht es Struktur, Orientierung und klare Handlungsempfehlungen. Aufgabe der Betriebsinhaber/innen ist es, ihren Führungsverantwortlichen das sichere Gefühl zu geben, dass Erpressung und Missachtung der Unternehmensstandards keinesfalls geduldet werden – auch wenn das im Zweifel betriebswirtschaftlich schmerzen kann.

Die Qualität im Service und Verkauf darf nicht zur Diskussion stehen, das sollte die Unternehmensführung deutlich kommunizieren und ihre Prioritäten unmissverständlich benennen. Auf diese Weise gewinnen die Verantwortlichen im Verkauf Selbstvertrauen und sind eher bereit, in Konflikten die klare Linie des Unternehmens angstfrei zu vertreten.

Zwar kann das konsequente Verhalten dazu führen, dass das Unternehmen manche Teammitglieder verliert, für andere wird man hingegen attraktiver und kann sich als fairer sowie wertschätzender Arbeitgeber positionieren.

Personalmanagement ist zur zentralen Herausforderung von Führungskräften geworden

Sachliche Kritik üben
Neben der Bereitschaft zum Gespräch zählt die Gesprächsführung selbst. Zur Aufgabe von Führungskräften gehört es, Missstände zu erkennen und gegenüber ihren Untergebenen zur Sprache zu bringen. Sie müssen grundsätzlich dazu befähigt sein, unangenehme Gespräche ohne Bauchschmerzen und ganz selbstverständlich führen zu können. Diese Fähigkeiten sollte man regelmäßig schulen und bewusst einsetzen.

Hat eine Mitarbeitende beispielsweise die Warenpräsentation nicht entsprechend der Vorgaben umgesetzt, muss sie darauf angesprochen werden. Die Herausforderung besteht darin, dass sachliche Kritik nicht als persönliche Kritik fehlinterpretiert wird. Grundsätzlich kommt es auf die richtige Ansprache und Wortwahl an. Aus der formulierten Kritik muss deutlich werden, dass es um die Sache geht und nicht um die Person.

Andernfalls könnte die betroffene Mitarbeiterin sie schnell als persönlichen Affront werten. Hier erweist sich eine einfache Feedback-Methode als hilfreich. Sie folgt drei Regeln, ist klar strukturiert und damit leicht umzusetzen. Folgende Schritte beinhaltet die Methode:

1. Ich-Botschaft senden („Ich habe den Eindruck, …“)
2. das Geschehen beschreiben und dabei nicht bewerten („… die Warenpräsentation entspricht nicht unseren Standards.“)
3. eine konkrete Handlungsempfehlung geben („Ich möchte Sie bitten, da künftig stärker drauf zu achten.“)

Gespräche konstruktiv nutzen
In diesem Zusammenhang bietet es sich auch an, nach möglichen Gründen für die Abweichung der unternehmerischen Vorgaben zu fragen. Möglicherweise gibt es Hindernisse, für die recht schnell eine Lösung gefunden werden kann, zum Beispiel ein veraltetes Filialhandbuch, fehlende Unterstützung zu den Stoßzeiten oder Ähnliches.

Vielleicht wollte sich die Mitarbeiterin auch mit eigenen Ideen einbringen und hat durch das Gespräch nun die Möglichkeit dazu. Mithilfe der Feedback-Methode wird sachliche Kritik für Gesprächspartner/innen annehmbar und seltener auf persönlicher Ebene missverstanden.

Gespräche und Handlungsaufforderungen zu unterlassen, ist hingegen keine Option. Das wäre das falsche Signal. Aus der fehlinterpretierten oder gar ganz fehlenden Umsetzung von Unternehmensstandards kann sich sonst schnell eine Eigendynamik entwickeln, die sich negativ auf den Service und die Qualität auswirkt.

Sauberkeit und Ordnung, eine ansprechende Warenpräsentation, Ladenback-Frische sowie Kundengespräche und mehr würden infolgedessen vernachlässigt und sich nachteilig bemerkbar machen. Eine ziemlich ungesunde Konstellation, wenn man bedenkt, dass eine hohe Produkt- und vor allem auch Servicequalität entscheidende Argumente bei der Preisgestaltung darstellen.

Eigenes Verhalten reflektieren

Neben einem besseren Miteinander und konstruktiven Lösungen bieten Gespräche mit Mitarbeitenden immer auch die Möglichkeit zur Selbstreflexion. Damit ist gemeint, das eigene Handeln und Denken gezielt zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern, zum Beispiel mithilfe der folgenden Reflexionsfragen:

1. Habe ich mein Gesprächsziel erreicht?
2. Was hat gut/weniger gut im Gespräch funktioniert?
3. Wie konsequent habe ich mich an die Feedback-Regeln gehalten?
4. Worauf bin ich stolz?
5. Was mache ich beim nächsten Mal anders?

Selbstreflexion ist ein herausragendes und gleichzeitig unterschätztes Werkzeug für Führungskräfte. Ganz gleich, ob es um Mitarbeitergespräche, Besprechungen von Filialchecks oder Teammeetings geht – die eigene Leistung beeinflusst den Erfolg maßgeblich.

Entsprechend sollte es der Anspruch jeder Person mit Personalverantwortung sein, stetig an sich selbst zu arbeiten. Wer nicht nur andere gut einschätzen kann, sondern auch sich selbst, ist überzeugender, empathischer, zielorientierter und verbindlicher in der Kommunikation.

Alleine lassen sich Herausforderungen nicht meistern – auch Führungskräfte brauchen eine verlässliche Führung

Und wer wie Lena als Bezirksleitung viel Zeit zwischen verschiedenen Standorten verbringt, könnte die Fahrt von Fachgeschäft zu Fachgeschäft zur Selbstreflexion nutzen. So bietet es sich an, Gespräche und Situationen mit den folgenden Fragen Revue passieren lassen:

1. Welchen Eindruck habe ich rückblickend selbst von mir?
2. Habe ich mein Ziel erreicht?
3. Haben alle mein Thema verstanden?
4. Was haben wir vereinbart? Wissen alle Mitarbeitenden jetzt, was konkret zu tun ist?
5. Was mache ich beim nächsten Mal anders?

Die wohlwollend kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln ist ein weiterer wesentlicher Schritt zur Selbstverbesserung und zu funktionierenden Teamprozessen.

Raus aus dem Ausnahmezustand
Innerhalb der Branche und branchenübergreifend wird händeringend nach passenden Mitarbeitenden gesucht. In Meetings und Gesprächen ist die prekäre Personalsituation in den Fachgeschäften ein Dauerthema. Mitunter herrscht das Gefühl des täglichen Ausnahmezustands vor. Gleichzeitig hemmt es die Entwicklung des Unternehmens oder führt zum Aufschub wichtiger Projekte und Prozesse. Das Thema Personal raubt Energie.

Aus diesem Grund müssen Unternehmer/ -innen sowie Führungskräfte umdenken und einen anderen Umgang mit Herausforderungen erlernen. Dafür braucht es ein klares Konzept mit Investitionen, vor allem aber eine grundlegend veränderte Kommunikation. Führungskräfte wie Lena benötigen zudem Unterstützung auf verschiedenen Ebenen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Sie benötigen Klarheit, Rückendeckung, Zuspruch und methodisches Wissen.

Gelingt es, mit der angespannten Personalsituation entspannter umzugehen, wird das für mehr Ruhe und Zuversicht sorgen. Auf diese Weise werden Ängste abgebaut, ein positives Arbeitsklima geschaffen und nicht zuletzt auch die Außenwirkung verbessert – ein erstrebenswerter Zustand für alle.


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Martin Bimpage

Martin Bimpage ist gelernter Industriekaufmann, staatlich geprüfter Betriebswirt und zertifizierter Trainer. Seit 28 Jahren arbeitet, trainiert und berät er in der Food- und Getränkebranche. Er war Unternehmensberater und Gesamtverkaufsleiter einer mittelständischen Bäckerei. Als selbstständiger Berater und Trainer unterstützt er seit 2021 Backbetriebe in den Bereichen Verkauf, Organisation und Personalentwicklung.