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Ab auf den Acker

Ab auf den Acker

Feldtag 2023 an der Universität Hohenheim zu Emmer, Einkorn und Dinkel

Mehr als 200 Menschen fanden zum diesjährigen Feldtag der Universität Hohenheim zur Versuchsstation für Agrarwissenschaften nach Stuttgart-Plieningen. Das Team rund um Getreide-Experte Prof. Dr. Friedrich Longin hatte ein informatives Programm zusammengestellt und wagte den Spagat zwischen anspruchsvollem wissenschaftlichem Vortrag sowie gut verdaulichen Informationen rund um Emmer, Einkorn und Dinkel.

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Weizenarten im Vergleich

Mehr als 200 Menschen kamen zum diesjährigen Feldtag nach Stuttgart-Plieningen

Obgleich nur wenige Millimeter groß, trägt jedes Weizenkorn eine kaum zu fassende Menge an Informationen in sich. Mehr als 6.000 verschiedene Proteine können von der Wissenschaft heute aufgeschlüsselt werden. Etwa 20 Prozent von ihnen zählen im Weizen nicht zum Gluten, wie Dr. Muhammad Afzal von der Universität Hohenheim in seinem Vortrag ausführte. Der Forscher erläuterte zum Auftakt der Veranstaltung die Ergebnisse eines aktuellen Feldversuchs zu den Unterschieden zwischen Einkorn, Emmer, Dinkel und Weizen in der Zusammensetzung ihrer Proteinausstattung.

Ein wichtiges Maß ist in diesem Zusammenhang die Heritabilität, also die Vererbbarkeit. Hat eine Eigenschaft eine hohe Heritabilität, wird sie durch Umweltfaktoren der Standorte weniger beeinflusst, ist also stabiler und reagiert in ihrer Ausprägung weniger auf äußere Faktoren. Das Ergebnis der Studie: Etwa 50 Prozent der Proteine im Weizen sind stabil, die anderen 50 Prozent können durch Umwelteinflüsse unterdrückt werden, so Afzals Fazit. Ziel von Züchtung ist es nun, die gewünschten vererbbaren, also stabilen Eigenschaften einer Sorte zu selektieren, um zu konstanten Erträgen und mehr Planungssicherheit zu kommen.

Dr. Axel Enninger (links) und Prof. Dr. Friedrich Longin beschäftigten sich mit wichtigen Ernährungsfragen

Beim vergleichenden Blick auf den Allergen- sowie API-Gehalt lag Einkorn gegenüber anderen Getreidearten der Weizenfamilie vorn. Hier spielen unter anderem die α-Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz ATI, eine wichtige Rolle. Sie stehen im Verdacht, Verursacher von Verdauungsproblemen zu sein. „Weizen und Dinkel weisen etwa die fünffache Menge an Allergenen und die siebenfache Menge an ATIs auf“, sagte Afzal. Bei einem neuen Versuch sollen nun bis zu 7.000 Proteine des Brotweizens unter die Lupe genommen werden.

Glutenfreie Ernährung

Dem recht wissenschaftlichen Vortrag folgte mit dem Kinder- und Jugendarzt sowie Kindergastroenterologen Dr. Axel Enninger ein Redner aus der Praxis. „Weizen macht nur wenige krank und ist wichtig für gesunde Ernährung vieler“, lautete der Titel seines Impulses. Nur etwa 1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat eine nachgewiesene Zöliakie, die schwerste Form der Glutenunverträglichkeit. Bei weiteren 0,1 Prozent ist eine Weizenallergie nachgewiesen. Die Zahl derer, die glauben, Weizen nicht zu vertragen, ist ungleich höher.

Nach den Vorträgen ging es aufs Feld zu Einkorn, Emmer und Dinkel

Enninger ging den Ursachen dieser Überzeugungen auf den Grund. Einen wesentlichen Einfluss habe dabei der sogenannte Nocebo-Effekt, erläuterte er. Dieser psychologische Effekt beschreibt, dass bei Arzneimitteln, denen Proband(inn)en vorab eine negative gesundheitliche Wirkung zuschrieben, zu einem nicht unerheblichen Teil die erwartete negative Wirkung bei sich tatsächlich feststellten, obwohl sie nur ein Scheinmedikament erhalten hatten.

Das Äquivalent dazu ist der bekanntere Placebo-Effekt. Dabei nehmen Menschen die positive Wirkung wahr, die sie auch erwartet hatten, obgleich man ihnen wirkungslose Medikamente verabreichte. „Studienübergreifend wurde in etwa 30 Prozent aller Fälle der Placebo-Effekt nachgewiesen, bei Nocebo verhält es sich genauso“, sagte Enninger.

Gleichzeitig steige mit einer glutenfreien Ernährung das Risiko, an einer koronaren Herzerkrankung zu erkranken, stellte er fest. Auch gehe die Diät nicht selten mit einer geringeren Ballaststoffaufnahme einher. „Glutenfreie Ernährung ohne vorherige Diagnose ist Unsinn“, zog der Kinderarzt ein eindeutiges Fazit.

Gesundes Brot

Einkorn und Emmer sind in der Verarbeitung anspruchsvoller als Weizen, bringen dafür aber ernährungsphysiologische Vorteile mit

Ein Thema, das direkt zum nächsten Vortrag überleitete. Unter dem Titel „Darf’s etwas mehr sein? Inhaltsstoffe & Vollkorn undogmatisch und lecker steigern“, referierte Prof. Dr. Friedrich Longin und stellte in diesem Kontext das Buch „Gesund & Lecker. Brot. Selber. Backen. Keine Angst vor Weizen, Brot & Vollkorn“ vor, das er gemeinsam mit Dr. Axel Enninger verfasst hatte. Unter diesem Link kann es kostenfrei heruntergeladen werden.

Den Abschluss der Vortragsreihe machte Schulleiter Tobias Pfaff der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Südwest mit dem Thema „Tipps & Tricks – so gelingen beste Backwaren mit Einkorn & Emmer“. Er erläuterte hilfreiche Profi-Kniffe mit den Urgetreide-Sorten für die Bäckerei und Konditorei. 

Bei strahlendem Sonnenschein ging es schließlich noch gemeinsam zur Besichtigung der Feldversuche zu Einkorn, Emmer und Dinkel der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim. Der nächste Feldtag findet am Donnerstag, 4. Juli 2024 in Stuttgart-Plieningen statt.

 

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Edda Klepp

Edda ist Chefredakteurin bei BROTpro und BROT. Seit 2016 bewegt sie sich in der backenden Branche und ist auch privat eine begeisterte Brotbäckerin. Wenn sie nicht gerade schreibt oder Teige knetet, ist sie häufig unterwegs zu Reportagen und Konferenzen oder lässt die Seele baumeln bei einem guten Buch und einer Tasse Tee.