Ganzheitliche Warenwirtschaft
Datengetrieben und gut vernetzt
Ein digitales Warenwirtschaftssystem kann heute weit mehr, als nur den Warenfluss vom Lager in den Verkauf zu kontrollieren. Das Qualitätsmanagement sowie der effiziente Einsatz von Ressourcen werden durch die Datenanalyse entscheidend unterstützt. Wichtig ist, die zahlreichen Prozesse in Produktion, Verwaltung und Verkauf sinnvoll zusammenzuführen, Daten aktuell zu halten, regelmäßig auszuwerten und passende Maßnahmen daraus abzuleiten.
Vom Einkauf über die Produktion und den Verkauf bis hin zum Retourenmanagement spielen für den Erfolg einer Bäckerei unzählige Prozesse eine Rolle, die wie Zahnräder ineinander greifen. Dabei die Übersicht über alle Bereiche zu behalten, kann zur Mammutaufgabe werden. Mit einem gut geplanten, ganzheitlichen Warenwirtschaftssystem lassen sich die Bereiche und Kennzahlen optimal überblicken, vernetzen und auswerten.
Prozesse automatisieren
Unter der Warenwirtschaft versteht man die Organisation sämtlicher Vorgänge, die mit Einkauf, Lagerhaltung, Produktion, Logistik sowie dem Verkauf der Rohstoffe und Produkte einhergehen. Nur wenn die Warenwirtschaft perfekt ineinandergreift und auch in alle weiteren Prozesse der Bäckerei eingeht – zum Beispiel auch die Personalplanung und Finanzbuchhaltung – können Abläufe optimiert, Kosten gesenkt, aber ebenso die Produktqualität positiv beeinflusst werden. Hierbei hilft ein digitales Warenwirtschaftssystem.
Mit einer solchen Lösung können im Idealfall die allermeisten Prozesse in der Bäckerei digital gesteuert, überwacht und zum Teil automatisiert werden. Ein ganzheitliches System vermeidet, dass Daten manuell mehrfach an verschiedenen Stellen erfasst werden. Zudem kann man Fehlerquellen durch teils oder vollständig automatisierte Prozesse minimieren. Auf jeden Fall gewinnt man einen guten Überblick über sämtliche Vorgänge und kann Wechselwirkungen so besser nachvollziehen, um daraus notwendige Maßnahmen abzuleiten.
Die Automatisierung fängt schon im Lager und Einkauf an. Ein gut gepflegtes Warenwirtschaftssystem zeigt übersichtlich den aktuellen Bestand aller Rohstoffe und Handelswaren an, warnt, wenn ein Posten knapp wird, kann auf Wunsch neue Ware automatisch nachbestellen und überwacht zudem Faktoren wie die Mindesthaltbarkeit. Gleichzeitig sorgt das System dafür, dass kein Überbestand erzeugt wird, also die Lagerflächen optimal genutzt werden und keine Ware verdirbt.
Ebenfalls sinnvoll ist das automatische Erstellen von Belegen und Rechnungen über die Warenwirtschaft. Lieferantenrechnungen können direkt durch das System kontrolliert werden, genauso wie die Kalkulation der eigenen Produktpreise. Steigt ein Rohstoff zum Beispiel deutlich im Preis, so wird das direkt angezeigt. Nun kann man die Kalkulation für die betroffenen Produkte anpassen oder den Rohstoff gegebenenfalls ersetzen.
Qualitätsmanagement
Es geht also schon im Lager darum sicherzustellen, dass alle benötigten Rohstoffe in der richtigen Menge sowie der passenden Qualität zur Verfügung stehen. Es ist außerdem wichtig zu wissen, wo und wann sie benötigt werden. Gleichzeitig kann das System dafür sorgen, dass man die Rohstoffe zu einem möglichst guten Preis einkauft. Außerdem lassen sich bestimmte Rohstoffe chargenweise konkret nachverfolgen, etwa bei Qualitätsmängeln. So weiß man schnell, welche Produkte davon betroffen sein könnten.
In der Aufrechterhaltung der Produktqualität und damit auch der Kundenzufriedenheit sieht Thomas Backenstos, Betriebsberater des Bäckerinnungsverbandes Südwest, eine Kernaufgabe eines Warenwirtschaftssystems. „Üblicherweise werden besonders Prozesse wie das Ladenbacken im Controlling betrachtet, viel seltener jedoch die Prozesse direkt in der Backstube“, sagt er. Besser sei es, direkt am Anfang der Produktionsprozesse anzusetzen. „Mit jedem weiteren Produktionsschritt multipliziert sich ein Fehler. Wenn ein Problem mit dem Teig früh erkannt wird, kann der Schaden in Grenzen gehalten werden.“
Sinnvoll ist es, so Backenstos, einen festen wöchentlichen Termin zu vereinbaren, an dem man sich betriebsintern über die Qualität verschiedener Produkte austauscht, die Ursachen möglicher Produktfehler erörtert und daraus konkrete Maßnahmen ableitet. Nicht jeder Fehler am Produkt führt gleich zu einer Kundenreklamation: Im schlimmsten Fall kommt gar keine Rückmeldung und man hat stattdessen Kundschaft an die Konkurrenz verloren.
Damit das nicht passiert, lohnt es sich, Produktfehlern von vornherein vorzubeugen.
Die Erkenntnisse aus solchen Qualitätsrunden können dann in das System eingetragen werden, um die Veränderungsprozesse nachvollziehen zu können. Langfristig führt der Austausch somit zu einer durchweg besseren Produktqualität.
Erkenntnisse der Teigmacherei
Dabei sollte das Qualitätsmanagement laut Backenstos direkt bei der Rohstoffverwiegung anfangen und von dort an besser kontrolliert werden. Auf dem Markt stehen verschiedene automatisierte Lösungen zur Verfügung, bei denen die Verwaltung die benötigten Rezepte und Produktionsparameter in das System eingibt und diese Daten dann an unterschiedlichen Stellen des Produktionsablaufs abgerufen werden können.
Neben der Verwiegung der Rohstoffe können auch der Knetvorgang, die Teigtemperatur sowie die Teigruhezeiten durch diese Daten vom System begleitet werden. So gibt es bereits Möglichkeiten, die richtige Teigtemperatur und Konsistenz durch Sensoren direkt beim Knetvorgang auszuwerten.
Teigruhezeiten kann man mit einem Warenwirtschaftssystem über Timer und Anzeigetafeln klar festlegen. So läuft man nicht Gefahr, dass ein Teig zu früh weiterverarbeitet wird, um Zeit zu sparen. Sonst könnte man am Ende ein qualitativ schlechteres Produkt erhalten. Grundsätzlich lassen sich solche Vorgänge über das System eher nachvollziehen und Fehler anschließend beheben.
Da natürliche Rohstoffe jedoch ganz normalen Schwankungen unterliegen, was die Rohstoffbeschaffenheit angeht, müssen die Prozesse dabei flexibel genug bleiben, um auf diese Schwankungen zu reagieren. Hierbei hilft es zum Beispiel, den Report der Mühle über die Mehlbeschaffenheit der aktuellen Lieferung in das System einfließen zu lassen, sodass auf Abweichungen von der vorherigen Charge entsprechend reagiert werden kann.
Anbindung an die Öfen
Doch ein gutes Warenwirtschaftssystem kann heute noch mehr, zum Beispiel hilft es beim effizienten Einsatz von Ressourcen. Anhand automatisch während der Produktion erfasster Daten ist es möglich, sowohl die Maschinenauslastung als auch die Personaleinsatzplanung in der Backstube wirtschaftlich sinnvoll zu planen. Oft bieten neuere Backöfen mit digitalen Steuerungselementen bereits die Option, die Ofenbelegung zu optimieren und Aufheizzeiten so gut es geht zu verringern.
Sofern das eingesetzte Warenwirtschaftssystem über eine kompatible Schnittstelle zur vorhandenen Ofensteuerung verfügt, werden auch diese Daten erfasst und man kann sie deutlich einfacher aufbereiten. Die Ofenbelegung steht dann nicht mehr als einzelne Statistik da. Stattdessen kann sie direkt in Zusammenhang mit der Belegung von Waagen, Knetmaschinen und Tischen sowie weiteren eingesetzten Maschinen betrachtet werden, um hier weitere Optimierungsmöglichkeiten zu erschließen.
Anbindung an den Verkauf
Sobald die Produkte gebacken und veredelt sind, müssen sie an die Verkaufsstelle gebracht werden. Bei nur einem Standort besteht darin kein größeres Problem, bei mehreren ist allerdings die vorherige Kommissionierung notwendig. Je nach Anzahl der Verkaufsstellen, zu denen auch die Lieferkundschaft zählt, bietet sich eine Lösung durch das Warenwirtschaftssystem an. Auf niedrigstem Level kann es zumindest Packzettel ausdrucken. Bei größerem Umfang sind digitale Monitore in der Produktion empfehlenswert, auf denen die jeweils benötigte Menge eines Produktes angezeigt wird.
Besonders wichtig für die ganzheitliche Erfassung aller wichtigen Daten ist die optimale Anbindung der Warenwirtschaft an das eingesetzte Kassensystem. Hier kann man oft in Echtzeit die Vorgänge im Verkauf nachvollziehen und auswerten. Das hilft zum Beispiel dabei, Trends und Zeitspannen eines hohen Kundenaufkommens zu erkennen, um ihre Bedürfnisse optimal erfüllen zu können und bei Bedarf eine Sortimentsoptimierung durchzuführen.
So lassen sich die Retouren der Filialen, die nicht abverkauft werden konnten, deutlich reduzieren. Auch Kundenrückmeldungen und -retouren sowie Bruch, der nicht in den Verkauf gegangen ist, lassen sich besser nachvollziehen.
Hygiene und Personal
Darüber hinaus kann ein Warenwirtschaftssystem im kompletten Verlauf von Rohstofflieferung bis Verkauf verschiedene Hygienemaßnahmen dokumentieren und optimieren. So sind zum Beispiel Reinigungs- und Wartungspläne digital erfasst und können bei Inspektionen sofort und übersichtlich begutachtet werden. Das gilt auch für die Verfolgung von Kühlketten und der Einhaltung von Mindesthaltbarkeitsangaben.
Nicht nur bei der Personaleinsatzplanung lassen sich durch das Warenwirtschaftssystem Optimierungsvorschläge ableiten, auch bei anderen Aufgaben im Personalbereich ist es nützlich. Unter anderem ist es möglich, Schulungen und Zertifizierungen des Personals zu verwalten, wichtige Regelschulungen – zum Beispiel wiederkehrende Belehrung durch das Gesundheitsamt und Sicherheitsunterweisungen – durchzuführen und die Angestellten entsprechend ihrer persönlichen Qualifikation am richtigen Posten einzusetzen.
Alles in allem hilft ein gutes Warenwirtschaftssystem dabei, zahlreiche Prozesse in der Bäckerei zu unterstützen und den Betrieb wirtschaftlich voranzubringen. Entscheidend ist, alle Daten stets auf dem neuesten Stand zu halten und wichtige Schnittstellen einzurichten, um aus den Auswertungen schließlich die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Fotos:
dusanpetkovic1
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