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Unterbruch-Backmethode bei Brot

Unterbruch-Backmethode bei Brot

Spitzen abfedern

Geringe Chargen-Mengen? Produktionsspitzen? Personalengpässe? Mit Hilfe der Unterbruch-Backmethode lassen sich diese Probleme zumindest lindern. Sie erlaubt es, qualitativ hochwertige Backwaren vorab zu produzieren, um dann frisch bei der Kundschaft zu überzeugen. Wichtig ist dabei nur, die Prozesse zu verstehen.

In vielen Backstuben kennt man das Problem von C-Artikeln, die in sehr kleinen Mengen jeden Tag hergestellt werden müssen und dadurch Nacht für Nacht den zeitlichen Druck erhöhen. Wünschenswert wäre, solche Produkte effizienter herstellen zu können. Genauso gibt es aber auch Spitzen, zum Beispiel im Wochenendverkauf, die den Stress in der nächtlichen Produktion gegen Ende der Woche wachsen lassen.

Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, ist die Tiefkühl-Lagerhaltung. Der energetische Aufwand, um zum Beispiel eine große Stückzahl an Broten zu frosten, ist allerdings extrem hoch. Die Unterbruch-Backmethode stellt sowohl hinsichtlich der Produktionsabläufe als auch vom logistischen Aufwand her eine weitaus bessere Lösung dar.

Grundlegendes
Gebackene Produkte unterliegen der Retrogradation – und zwar bereits kurz nachdem sie aus dem Ofen kommen. Dies beschreibt weniger den Austritt von Wasser als vielmehr die Veränderung der Stärke. Über 60°C bindet sie Wasser, ist elastisch und weich. Doch unterhalb dieser Temperatur beginnt sie, sich zu verfestigen und verliert dadurch an Weichheit. So leidet das Frischegefühl der Backwaren. Wird die Stärke dann jedoch wieder auf über 60°C erhitzt, erlangt sie ihre Elastizität zurück.

Bereits früher hat man damit experimentiert, Brote nur zu etwa 80 Prozent zu backen und dann zu lagern. In speziellen Klimakammern mit 60°C und hoher Luftfeuchtigkeit blieb das Brot zwar lange weich, aber es begann sehr schnell zu schimmeln. Zudem führte die lange Nachbackzeit mit 30 bis 40 Prozent, also eine Gesamtbackzeit von 110 bis 120 Prozent der normalen Backzeit, dazu, dass unnötig Wasser aus dem Gebäck entwich.

Die lange Nachbackzeit war jedoch notwendig, um die Kerntemperatur von 98°C erneut zu erreichen. Aktuelle Versuche zeigen, dass eine 50/50-Aufteilung der Backzeit bei Broten optimal ist. Bereits nach der Hälfte der Backzeit ist die Kerntemperatur von 98°C erreicht und damit keine höhere Sättigung der Stärke zu erlangen. Die restliche Backzeit dient nur der Krustenausprägung und Farbgebung. Da nach der Hälfte der Backzeit noch genügend freies Wasser im Gebäck enthalten ist, stellt auch die Lagerung kein allzu großes Problem mehr dar.

Grundsätzlich können fast alle Brote mit der Unterbruch-Backmethode hergestellt werden. Schwierig ist es nur bei Weizenbroten beziehungsweise Weizenmischbroten mit weniger als 30 Prozent Roggenanteil. Diese tendenziell großvolumigen Brote neigen bei nur halber Backzeit zu Setzfalten. Unter einer längeren Vorbackzeit würde die Qualität wiederum zu stark leiden. Daher empfiehlt sich hier der Verzicht auf die Unterbruch-Backmethode und die frische Herstellung dieser Backwaren. Bei Roggen-, Roggenmisch-, Saaten- und Vollkornbroten funktioniert das Unterbruch-Backen hingegen uneingeschränkt.

Dabei müssen für die Herstellung weder Rezeptur noch Produktionsablauf umgestellt werden. Einzige Änderung: Diese Produkte werden nicht mehr zwingend während der Nachtschicht, sondern danach in größeren Mengen auf Vorrat hergestellt. So lassen sich Produktionsspitzen entschärfen. Zum Ablauf:

Teigführung
Die Teig-Parameter bleiben unverändert. Alles beim Alten.

Backen/Vorbacken
Auch hierbei ändert sich erst einmal nichts. Angebacken wird wie gewohnt, der Backvorgang dann jedoch nach 50 Prozent der Backzeit unterbrochen. Die Kerntemperatur sollte allerdings auf jeden Fall 98°C erreichen. Gerade bei sehr schweren, reichhaltigen Broten aus dem Vollkorn- oder Körnerbereich kann es sein, dass der Wert erst nach 55 Prozent der Backzeit erreicht wird. Hier tastet man sich einfach an den besten Wert heran.

Auskühlen und Lagern
Halbgebackene Brote sind aufgrund der fehlenden Krustenstabilität sehr empfindlich, was einen schonenden Umgang erfordert. Sie sollten auf Metallgittern oder Rosten komplett auskühlen. Im Anschluss daran erfolgt die Lagerung. Sie richtet sich nach den eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten.

Bis zu 24 Stunden können die Brote im Raum lagern. Hierbei empfiehlt sich ein Abdecken mit Folie, um der Krumenverfestigung und dem Elastizitätsverlust entgegenzuwirken. Die Temperatur sollte um 25°C liegen.

Bei einer geplanten Lagerdauer von bis zu 72 Stunden kommen die Brote bei unter 4°C ins Kühlhaus. Das Abdecken mit Folie ist hierbei nicht zwingend notwendig. Während fertig gebackene Brote im Kühlhaus sehr schnell altern, dient der hohe Wassergehalt in der Kruste bei halbgebackenen Backwaren als Schutzschild.

Die Umverteilung des Wassers innerhalb der Phasen (Kruste und Krume) läuft bei komplett fertig gebackenem Brot sehr schnell ab. Die feuchte Krume gibt Wasser an die trockene Kruste ab und wird somit schneller fest, unelastisch und trocken. Der Übergang des Wassers von der Kruste in die Umgebungsluft dauert im Vergleich dazu bis zu vier Tage.

Fertigbacken
Beim Fertigbacken beginnt man dort, wo man aufgehört hat. Gestartet wird mit der Temperatur, mit der das Vorbacken unterbrochen wurde. So backt man das Brot vollständig aus. Eine kleine Schwadengabe zu Beginn unterstützt die Farbgebung der Kruste.

Vor- und Nachteile
Der wohl größte Vorteil dieser Methode ist die Entlastung der Produktion. So lassen sich zum Beispiel am Freitag die Mengen für Samstag

und Montag herstellen. Die Stückzahl für Samstag lagert abgedeckt im Raum, der Rest geht bis Montag ins Kühlhaus. So entfällt die Produktion dieser Brot-Sorte am Samstag und Montag, sie kann den Kundinnen und Kunden aber trotzdem frisch angeboten werden. Nachteil ist eine geringere Volumenausbeute gegenüber direkt gebackenen Broten. Im Bereich Elastizität und Festigkeit der Krume können halbgebackene Brote jedoch wieder überzeugen. Auch geschmacklich und sensorisch liegen beide Varianten gleichauf.


Überblick

Rezept betriebsüblich
Aufarbeitung betriebsüblich
Vorbacken 50% der Gesamtbackzeit, jedoch mindestens bis 98°C Kerntemperatur
Lagern bis zu 24 Stunden abgedeckt im Raum
bis zu 72 Stunden im Kühlhaus bei maximal 4°C
Fertigbacken 50% der Gesamtbackzeit, jedoch mindestens bis erneut 98°C Kerntemperatur erreicht sind
Geeignet für Roggenbrote, Roggenmischbrote, Weizenmischbrote bis 70/30 und dunkle Saaten- sowie Vollkornbrote
Ungeeignet für Weizenmischbrote heller als 70/30, Weizenbrote

Fotos:
Irina Fischer
Minerva Studio
Szakaly


Auszug aus Ausgabe 04/2020

Dieser und weitere interessante Artikel erschienen in Ausgabe 04/2020 von BROTpro. Die komplette Ausgabe kann im Alles-rund-ums-Hobby-Shop bestellt, direkt im Browser gelesen oder über die App von BROT im Google Play Store beziehungsweise Apple App Store bezogen werden.

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Christoph Heger

Christoph Heger ist Bäckermeister, Brot-Sommelier, Betriebswirt des Handwerks, Urkornexperte und Botschafter der Deutschen Brotkultur. Er hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in Meister-Ausbildung und handwerklicher Backwaren-Produktion, arbeitet als selbstständiger Berater für Bäckereien und leitet Back-Seminare.