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Zacharias-Preisverleihung 2023 in Bingen

Zacharias-Preisverleihung 2023 in Bingen

Auszeichnung für Vermarktungskonzepte und Öffentlichkeitsarbeit

Einst als Stollen-Oscar gestartet, ehrt der Zacharias im 34. Jahr clevere Marketingkonzepte von Bäckereien. Dabei gab es in diesem Jahr auch einen Überraschungspreisträger. Mit Marlon Gauck zeichnete der Backmittelkonzern CSM einen entschiedenen Gegner seiner Produkte aus. 

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Papa Rhein

„Zacharias meets Papa Rhein“ lautete das Motto der diesjährigen Preisverleihung. CSM hatte das Bingener Hotel gleichen Namens exklusiv gebucht, um der Veranstaltung einen würdigen Rahmen zu geben. Mit Erfolg. Ziel der Jury war es, herausragende Beispiele vorbildlicher Vermarktungskonzepte und Öffentlichkeitsarbeit rund um handwerklich hergestellte Backwaren auszuzeichnen. 

Der Zacharias 2023 ging an die Bäckerei Lamm aus Bielefeld, die Backhaus Lüning aus Bingen sowie die Bäckerei & Konditorei Gnauck aus Ottendorf-Okrilla. Gerade letzterer überraschte, ist doch Kern seines Konzeptes, auf Convenience-Produkte und Backmittel zu verzichten, mithin also auf alles, womit das preisverleihende Unternehmen Geld verdient.

Neben den Bäckereien wurden die Bäckerinnung Sylt mit dem Zacharias-Sonderpreis der Jury sowie Hans-Theo Hardt aus Köln mit dem Zacharias-Preis für sein Lebenswerk geehrt. Dabei erhielt der Bäcker die launigste Laudatio, gehalten von Alexandra Dienst, der ehemaligen Geschäftsführerin der Bäckerinnung Köln/Rhein-Erft-Kreis.

Viel Liebe

Die Bäckerei Lamm aus Bielefeld überzeugte mit ihrem Konzept „Wir lieben und leben unsere Heimat und unser Handwerk“. Mit diesem Credo setzt der Betrieb konsequent auf Tradition, Regionalität und Nachhaltigkeit. Gebacken wird ausschließlich nach eigenen Rezepturen mit dem betriebseigenen Sauerteig und vorwiegend regionalen Rohstoffen. Die Auszeichnung als „ÖKOPROFIT-Betrieb“ der Regiopolregion Bielefeld 2023 zeugt vom umfassenden Nachhaltigkeitsengagement der Bäckerei.

Um der Kundschaft und der Öffentlichkeit ihre gelebten Werte und ihre Heimatverbundenheit näherzubringen, hat die Bäckerei Lamm ihren etablierten Werbeslogan „Die inneren Werte“ zu einem ganzheitlichen Marketing- und Kommunikationskonzept ausgebaut. Zentrale Elemente sind der Bielefeld-Schriftzug – eine Kombination aus den offiziellen Logos von Stadt und Bäckerei – sowie das neue Corporate Design unter Einbeziehung der Sparrenburg, eines der wichtigsten Wahrzeichen Bielefelds. Beide sind allgegenwärtig, auf Brötchentüten und Gebäckkartons ebenso wie als prominente Fahrzeugbeschriftung auf der firmeneigenen Flotte.

In einem weiteren Schritt wurden zahlreiche Brotspezialitäten der Bäckerei Lamm mit Bezug zur Stadt Bielefeld umbenannt. Seither sind in den elf Verkaufsstellen unter anderem der Lutterlaib, das Olderdisser, das Altstädter Schwarzbrot und das Jostberger Klosterbrot erhältlich. Um Bestandskundschaft und potenzielle Neukund(inne)en auf die Brote aufmerksam zu machen, wurden diese an den namensgebenden Sehenswürdigkeiten fotografiert. Die Motive nutzte Bäckerei Lamm in sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook sowie auf ausgedienten Backblechen als Wanddekoration in den Filialen.

Nachwuchsarbeit

Dem Fachkräftemangel begegnen die Verantwortlichen vom Backhaus Lüning aus Bingen mit einem ganz eigenen Konzept. 2022 riefen sie das Motto „Die wichtigste Zutat bist Du!“ aus und führten mit Auszubildenden Gespräche über die Zukunft des Bäckerhandwerks – die Geburtsstunde der Azubi-Herbstaktion „Tradition ist wieder hip“. An dem Projekt waren alle 55 Filialen und insgesamt mehr als 30 Auszubildende des Backhauses Lüning beteiligt. Ihnen wurde die gesamte Konzeption, Durchführung und Vermarktung der Herbstaktion anvertraut.

Die Aufgaben wurden entsprechend der Ausbildungsschwerpunkte verteilt: Azubis aus Backstube und Konditorei entwickelten neue Gebäckkreationen. Auszubildende aus dem Verkauf erarbeiteten Verkaufsargumente und Verkaufsstrategien. Azubis aus der Verwaltung übernahmen das Marketing inklusive der Erstellung von Werbemitteln. Gemeinsam entstand zudem die Idee einer Kräuterlimonade für das hauseigene „Ludger’s Label“.

Plakate machten auf die Aktionsgebäcke aufmerksam; auf Brötchentüten und Flyern stellte man alle Ausbildungsberufe des Backhauses Lüning vor. PR-seitig wurde das Projekt durch Stories und Reels auf den Social-Media-Kanälen des Unternehmens in Kooperation mit der Handwerkskammer in Mainz begleitet und auch namhafte Fachzeitschriften berichteten darüber. Die Aktionen führten zu Praktikumsanfragen und frühzeitigen Bewerbungen für das neue Ausbildungsjahr und ebenso zu einem gestärkten Miteinander sowie gesteigerter Wertschätzung der Auszubildenden untereinander. Die Geschäftsleitung möchte ihre Auszubildenden auch zukünftig enger einbinden und ihnen Verantwortung übertragen.

Der mit dem Totenkopf

Vom traditionellen Grundversorger wollte Marlon Gnauck sein Unternehmen zum modernen, innovativen Betrieb wandeln. Raus aus der Austauschbarkeit, hin zum gelebten Alltagsluxus. Das traditionelle Handwerk sollte die Anerkennung und Wertschätzung bekommen, die es verdient. Los ging es mit den Produkten, denen der Bäcker nach und nach alle Backmittel und Convenience-Zutaten entzog. Parallel wurde die Idee eines Markenzeichens geboren, das die Identität des Unternehmens prägt und repräsentiert – ein Totenkopf mit dem Hashtag #EchterBäcker als Symbol für das Zusammenspiel von Tradition, Moderne und Handwerk sowie das Selbstverständnis von Betriebsleiter Marlon Gnauck.

Ursprünglich als einmaliger Gag bei Facebook gedacht, ist die Bildmarke heute im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen und prägt die gesamte Innen- sowie Außendarstellung des Betriebs. Um sie bekannt zu machen, setzte die Bäckerei Gnauck auf vielfältige Marketingmaßnahmen wie Veranstaltungsbranding, Vereinssponsoring und regelmäßige Events im Zeichen des Totenkopfes. Mit mehr als 100 Beiträgen in regionalen, überregionalen und Fachmedien sowie Radio-, Fernseh- und Gastbeiträgen in Podcasts erreichte der Betrieb ein Publikum weit über die Grenzen seines direkten Umfelds hinaus. Und auch die Mitarbeitenden identifizieren sich mit der neuen Unternehmensmarke. Sie tragen in ihrer Freizeit Kleidung mit dem auffälligen Logo.

Über einen eigenen Fanshop verkauft die Bäckerei Gnauck Merchandising-Artikel wie Thermobecher, Pudelmützen und Liegestühle und nutzt diese für die Interaktion mit ihrer Kundschaft, zum Beispiel in Form von Gewinnspielen auf den firmeneigenen Social-Media-Kanälen. Inzwischen wurde sogar eine Mitarbeiterin für Social Media und Öffentlichkeitsarbeit eingestellt. Darüber hinaus brachte man mehr als 30.000 Aufkleber in Umlauf , die mittlerweile deutschlandweit an Autos, Laternen und Co. sowie auf Bildern in sozialen Medien auffindbar sind. Mit diesem Mix klassischer und ausgefallener Maßnahmen rund um die neue Unternehmensmarke konnte der Betrieb seinen Umsatz auf bestehender Fläche verdreifachen.

Sonderpreis

Der Zacharias-Sonderpreis der Jury 2023 ging an die Bäckerinnung Sylt, vertreten durch ihren Obermeister Peter Lorenzen. Unter dem Motto „Spaß am Backen haben und dabei erfolgreich sein“ hat es sich die Bäckerinnung Sylt zum Ziel gesetzt, junge Menschen auf das Bäckerei- und Konditoreihandwerk aufmerksam zu machen, ihnen diesen Berufszweig näherzubringen und Nachwuchskräfte zu gewinnen. Darüber hinaus möchten die sechs Innungsbetriebe Sylter Einrichtungen und Organisationen sowie insbesondere die Freiwilligenarbeit junger Leute finanziell unterstützen. Um diese Ziele zu erreichen, hat die Innung das Wohltätigkeitsprojekt „Unser Charity-Brot“ ins Leben gerufen und eine Back-AG gegründet.

Im Mittelpunkt der Charity-Aktion stand die Feuerwehr Kruste, ein aromatisches Urgetreidebrot mit Emmer, Einkorn, Waldstaudenroggen und Dinkelmehl. Die Spendenmechanik ist so einfach wie effektiv: Das Brot war bei allen Innungsmitgliedern erhältlich. Für jeden verkauften Laib wurde ein Euro an die örtlichen Jugendfeuerwehren gespendet. Die Unterstützung weiterer Organisationen wie zum Beispiel dem Sylter Küstenschutz, dem Seenotrettungskreuzer oder Sylter Sportvereinen ist in
Planung.

Zum Start der Aktion lud die Bäckerinnung Sylt Mitglieder der Sylter Jugendfeuerwehren in die Backstube eines der Mitgliedsbetriebe ein, wo sie ihre eigene Feuerwehr Kruste selbst formen, backen und verkosten konnten. Zudem setzten die Innungsbetriebe auf vielfältige Werbemittel und aufmerksamkeitsstarke Pressearbeit, um die Charity-Aktion bekannt zu machen. Dazu zählten Brotbanderolen, Plakate und Verteilkarten mit Coupons ebenso wie ein Pressetermin anlässlich der initialen Backaktion, Interviews und Social-Media-Posts.

Unter dem Dach der neu gegründeten Back-AG treffen sich die Sylter Innungsbetriebe regelmäßig mit jungen Leuten in der Schule, um mit ihnen zusammen zu backen und ihnen das Backhandwerk vorzustellen. Der Spaß steht dabei im Vordergrund. Die Backprofis erklären aber auch Begrifflichkeiten aus ihrem Berufsalltag und zeigen den Teilnehmenden verschiedene Handwerksfertigkeiten, die zur Arbeit in der Backstube dazugehören – ein idealer Rahmen, um Kinder und Jugendliche spielerisch für das Backhandwerk zu begeistern und so potenzielle Nachwuchsfachkräfte frühzeitig anzusprechen.

Lebenswerk

Der Kölner Hans-Theo Hardt wurde mit dem Zacharias für sein Lebenswerk geehrt. Er legte schon zu Schulzeiten den Grundstein für ein Leben im Zeichen des Bäckerhandwerks, indem er nach dem Unterricht mit dem Fahrrad Brot und Brötchen ausfuhr. Ende der 1960er Jahre übernahm er die Bäckerei Hardt und auch mit seinen nunmehr über 85 Jahren ist er noch immer regelmäßig in der Backstube sowie den 33 Filialen aktiv. Sein Unternehmergeist, seine Handwerkskunst und sein Herzblut prägen sein gesamtes Tun bis heute und machen ihn zu einer besonderen Branchenpersönlichkeit sowie einem leuchtenden Vorbild für andere Handwerksbäcker/innen.

Bei Hans-Theo Hardt stand schon immer der Mensch im Mittelpunkt. So wurde ein familiäres Miteinander ganz selbstverständlich zu einem zentralen Element der Unternehmens-DNA, das sich unter anderem im Firmenlogo widerspiegelt: Es zeigt ein großes, offenes Herz – in Anlehnung an die Assoziation des Namens Hardt mit dem englischen Begriff für Herz –, das Offenheit und Herzlichkeit als Werte der Bäckerei Hardt nach außen trägt. Es zeigt aber auch, dass Hans-Theo Hardt ein feines Gespür für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit in die Wiege gelegt wurde.

Er wusste genau, was dazugehört, um aus einer Bäckerei „Die“ Bäckerei am Ort zu machen: aufmerksamkeitsstarke Aktionen, Werbung, die ins Auge fällt, und starke Präsenz des Chefs höchstpersönlich. Er positionierte sich über Jahrzehnte als Model, Aushängeschild und Verantwortlicher für das Unternehmen, setzte bei der Gestaltung von Werbemitteln stets auf Mitarbeitende und Familienmitglieder als Gesichter und Botschafter/innen der Bäckerei Hardt.

Gemeinsam mit seiner Tochter und Nachfolgerin Carmen Heinke bespielt Hans-Theo Hardt bis heute die gesamte Klaviatur moderner Marketing-Maßnahmen, wie zum Beispiel Promotions, Live-Events oder digitale Kundenkarten, und verfolgt auch bei der Unternehmenskommunikation einen ganzheitlichen Ansatz. Zudem nutzte er schon früh das Internet und soziale Medien.

Die erste Firmenwebsite ging 1998 online und auf Facebook ist Bäckerei Hardt seit 2016 aktiv. Angesichts dieses vielfältigen Engagements ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Meilensteine das Berufsleben von Hans-Theo Hardt prägten, angefangen bei den Markenbrötchen „Malzköpp“ über die Einführung des Veedelsbrotes bis hin zu regionalen Partnerschaften und Kooperationen mit bekannten Marken wie Verpoorten oder Gaffel Kölsch.

Party on

Der Zacharias-Tradition folgend, schloss sich an die Preisverleihung ein Bilderbuch-Abendessen an, nach dem es an die Bar oder wahlweise auf die Tanzfläche des Papa Rheins ging. Die DJ-Bässe dröhnten bis weit nach Mitternacht durch das Hotel. 

 

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Sebastian Marquardt

Sebastian ist Verleger von BROT und BROTpro. Aus Notwehr fing er mit dem Selberbacken an. Aus anfänglicher Begeisterung wurde tiefes Interesse an der Materie. Wenn er die Hände nicht im Teig hat, liegen sie meist auf einer Tastatur. Zwischendurch reist Sebastian durch die Welt und besucht Backstuben auf allen Kontinenten.